Eine gläserne Zeitreise durch Tirol

Im Sommer 2018 organisierte unsere Galerie für einen Luxemburger Glassammlerverein eine „Gläserne Zeitreise durch Tirol“. Neben zeitgenössischem Glas wollten wir auch einen Blick in die Geschichte der historischen Glasproduktion in Tirol werfen und entdeckten dabei Erstaunliches rund um die Haller Glashütte und die Innsbrucker Hofglashütte im 16. Jahrhundert.  > lesen Sie mehr

 

Durch diese - bis heute andauernden Nachforschungen - entwickelten sich die im Rahmen der Galerie stattfindenden Führungen über historisches Glas. In der „Glassammlung Strasser“ auf Schloss Ambras und im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum sind noch einige Exemplare aus den beiden Glashütten zu sehen.

 

GLASSAMMLUNG STRASSER IM SCHLOSS AMBRAS INNSBRUCK

Die Sammlung Strasser ist eine der bedeutendsten Glassammlungen weltweit

Sie wurde in mehr als 50-jähriger Sammeltätigkeit von Prof. Rudolf Strasser angelegt und umfasst insgesamt über 300 kostbare Gläser von der Renaissance bis zum Klassizismus, die in den wichtigsten europäischen Glaserzeugungsgebieten produziert wurden.

In 4 eigens adaptierten Räumen im Hochschloss von Schloss Ambras wird mit der „Glassammlung Strasser“ die Geschichte der Hohlglasproduktion und der unterschiedlichsten Bearbeitungstechniken, wie Diamantriss, Schliff, Gravur und Bemalung anschaulich dargestellt. Die mehr als  200 Gläser  - Kelche, Stangengläser, Humpen, Pokale und Becher mit Tiefschnitt, Tief- und Hochschnitt, Schwarzlotmalerei, Goldrubingläser, Zwischengoldgläser und gestippte Gläser in herausragender Qualität - sind Erzeugnisse der Innsbrucker Hofglashütte, der Haller Glashütte, aus Venedig, den deutschen Landen und aus den Niederlanden und umfassen einen Zeitraum vom 16.Jahrhundert bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert.

Große Freude bereitete Prof. Strasser, dass Schloss Ambras als Ausstellungsort

gewählt wurde, teilte er doch mit Erzherzog Ferdinand II. seine Vorliebe für die Glaskunst.

Führungen

Bei den Führungen wird die Herstellung und Bearbeitung ausgewählter Objekte

erklärt. Dauer ca. 1,5 Stunden, Führungen nach Anmeldung ab 5 Personen

bis maximal 10 Personen, Kosten pro Führung € 80,00

Anmeldung über die Glasgalerie info@glass-gallery.at

 

Treffpunkt

Schloss Ambras Innsbruck - bei der Kassa
Schlossstraße 20
A-6020 Innsbruck
www.schlossambras-innsbruck.at/besuchen/sammlungen/die-glassammlung-strasser/

 

GLASSAMMLUNG DES FERDINANDEUMS INNSBRUCK

Gläserne Kostbarkeiten vom Mittelalter bis zur Gegenwart

Die Glassammlung ist ein beachtlicher Teil der Kunstgeschichtlichen Sammlung des Ferdinandeums und entstand vor allem durch Schenkungen und Legate. Sie zeigt einen repräsentativen Querschnitt  vom mittelalterlichen Warzen- und Noppenglas, über venezianische Gläser und Flügelgläser zu Objekten der Renaissance mit Veredelungstechniken wie der Emailmalerei, des Diamantrisses und des gedrehten und geflochtenen Fadendekors. Stangengläser, Humpen, Scherz- und Vexiergläser, welche im 16. und 17. Jahrhundert nördlich der Alpen „en Vogue“  waren finden hier ebenso ihren Platz wie Barockgläser, welche die hohe künstlerische Qualität der Glasschleifer und Graveure verdeutlichen. Zwischengoldgläser von Johann Joseph Mildner, mit transparenter Emailfarbe bemalte Gläser von Samuel und Gottlob Samuel Mohn sowie Anton Kothgasser und Lithyalingläser von Friedrich Egermann ergänzen die Sammlung.[1] Hauptaugenmerk wird dabei auf die Produktionsstätten Haller Glashütte (1534-1635), Innsbrucker Hofglashütte (1572-1591), Kramsacher Glashütte (1626-1933), Hörbrunner Glashütte (1769-1886), die Tiroler Glashütte Altmann-Althausen (1949-1954) und der Glasmanufaktur Riedel (seit 1954) in Kufstein, gelegt.

 

[1] Gürtler, Eleonore: Die Glassammlung. Eine Sondersammlung der Kunstgeschichtlichen Sammlungen, in: ferdinandea. Die Zeitschrift des Vereins Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum 5 (August 2008), S. 10.

Führungen

Derzeit finden keine regelmäßigen Führungen statt.

 

Tiroler Landesmuseen Ferdinandeum

Museumstraße 15
A-6020 Innsbruck
www.tiroler-landesmuseen.at/haeuser/ferdinandeum/

 

HISTORISCHE GLASERZEUGUNG im 16. und 17. Jahrhundert IN TIROL

In Hall in Tirol, 10km von Innsbruck entfernt, wurde im Jahr 1534 die erste Glashütte nördlich der Alpen gegründet, die farbloses Glas in „venedigischer“ Qualität herstellte und daraus Scheiben und Tafelglas in unterschiedlichen Größen - zwischen 2 und 3 Millionen Stück pro Jahr - produzierte. Ebenso wurde Hohlglas für den täglichen Gebrauch aber auch als Luxusgut hergestellt.

Im Jahr 1571 gründete Erzherzog Ferdinand II. in Innsbruck seine eigene Hofglashütte, die Luxusgläser für den Hof produzierte, wie sie damals nur die Glasmacher auf Murano herstellen konnten.

WIE KAM DAS GLAS NACH TIROL?

Venedig war vom 15. Jahrhundert bis ins 17. Jahrhundert betreffend Glas das Maß aller Dinge. Die Glasmacher in den Glashütten auf Murano kreierten einen eigenen Stil und erfanden eine besondere Glasqualität für ihre luxuriösen Prunkgläser - das Cristallo. Die handwerklich überaus geschickten Glasmacher fertigten daraus hauchzarte, farblose, klar durchsichtige Gläser, die weit über Venedig hinaus bekannt und ein wirtschaftlich äußerst bedeutender Exportartikel waren.

In der Renaissance verlangte die begüterte Oberschicht Prunkgläser nach „venedigischer“ Art sowie Flachglas für größere Fensteröffnungen, die mehr Licht und Luft in die Räume ließen. Glas wurde zu einem begehrten Artikel. Es sollte selbstverständlich nicht das grünlichbraune,  minderwertige Waldglas sein. Wenn man es sich leisten konnte, war - auch das Flachglas  - aus „venedigischem Cristallo“. Diese Glaswaren wurde von Glasträgern auf dem Rücken, auf sogenannte Kraxn gepackt, von Venedig über den Brenner und andere Wege durch Tirol in den Norden transportiert und dort verkauft.

 

DIE HALLER GLASHÜTTE

Mitte des 16. Jahrhundert war Tirol durch den Silber-Bergbau in Schwaz und die Haller Saline ein sehr reiches Land.

Der Gründer der Haller Glashütte WOLFGANG VITL war Faktor (Geschäftsführer) des Augsburger Handelsherrn Ambros Höchstetter, der im Schwazer Silber-Bergbau tätig war, ähnlich wie die berühmten Fugger aus Augsburg. Vitl wollte aber auch immer selbstständig Geschäfte machen und so entstand bei Vitl die Idee, eine Glashütte aufzubauen, mit dem Versprechen klares, farbloses Glas, wie das Cristallo aus Venedig zu erzeugen. Er wollte den Venezianern zumindest einen Teil des Glasgeschäftes wegnehmen und riskierte sein ganzes Vermögen, um die Glashütte zu errichten und zu betreiben. Die Stadt Hall stellte an der Unteren Lende den Platz dafür zur Verfügung und König Ferdinand I. erteilte ihm am 26. März 1534 das Privileg für sein Gewerk (davon gibt es eine Kopie im Haller Stadtarchiv). Doch Vitl hatte sich finanziell übernommen und es stellte sich heraus, dass  das Arbeiten mit den Glasmachern aus Altare (Ort im Piemont in der Nähe von Savona) nicht problemlos war. Vitl starb im Frühjahr 1540, was ihm die Schuldenhaft ersparte.

Der Augsburger SEBASTIAN HÖCHSTETTER, dem Vitl bereits Geld schuldete, übernahm die Glashütte, baute sie aus und machte sie zu einem wichtigen und bedeutenden Unternehmen. Er arbeitete vor allem mit deutschen, von ihm ausgebildeten Glasmachern, mit denen es weniger Schwierigkeiten gab, als mit den Italienern aus Altare, die Vitl beschäftigt hatte. Von 1540 bis 1569 war Sebastian Höchstetter die treibende Kraft. Die Glashütte war in erster Linie auf die Herstellung  von Flachglas ausgelegt, das vorwiegend in den süddeutschen Raum und die Schweiz (Glasmaler und Glaser) geliefert wurde. Pro Jahr wurden 2 bis 3 Millionen Stück Flachglas in „venedigischer“ Qualität und unterschiedlichen Glasgrößen produziert. Kleine Scheiben (Butzen), mittlere Größen (so genannte Tellerglas) und größere Glastafeln nach der Zylinderstreck-Methode. Ebenso wurde Hohlglas (dem deutschen Geschmack und den rauen Trinksitten angepasst) für den täglichen Gebrauch aber auch als Luxusgut hergestellt.

Die Haller Glashütte produzierte mit wechselndem Erfolg mit Mitgliedern der Familie Höchstetter und diversen anderen Betreibern bis zum Jahr 1615, dann wurde die Glashütte stillgelegt. Man versuchte immer wieder Interessenten für eine Fortsetzung der Glasproduktion zu finden, aber als 1635 der letzte Höchstetter ohne Nachkommen starb, war die Haller Glashütte Geschichte.

 

DIE INNSBRUCKER HOFGLASHÜTTE

ERZHERZOG FERDINAND II. (1529 – 1595) kam 1567 als Landesfürst nach Tirol. Er galt als kunstsinniger Sammler und Liebhaber exotischer, exklusiver Dinge. Und er war ein ausgesprochener Liebhaber schöner, luxuriöser Gläser. Für seine Hofhaltung ließ er Gläser in Venedig kaufen und versuchte auch in der Haller Glashütte Sebastian Höchstetters Glas für den Hof zu bestellen. Da die Haller Glashütte jedoch nur auf einem Ofen produzieren konnte – der in erster Linie für die Produktion von Flachglas ausgelegt war - und nicht in der Lage war, die Gläser nach den Vorstellungen Ferdinand II. herzustellen, gründete er 1570 in Innsbruck seine eigene Hofglashütte. Mit Glasmachern aus Murano, von Venedig für 2 bis 3 Monate „ausgeliehen“, ließ er Luxusgläser nach seinen Wünschen und Vorstellungen produzieren. Der Tod von Ferdinand II. 1595 bedeutete auch das Ende der Hofglashütte.

Detail aus dem Glasbild "Madonna auf der Mondsichel", Hofglashütte Innsbruck, um 1570/90, Inv.-Nr. PA 1175, Kunst- und Wunderkammer Schloss Ambras, Foto: Elke Krismer